Der Grosse Stadtrat diskutierte am Dienstagabend darüber, wo er wie viel Geld ausgeben möchte. Es wurde über mehr als 50 zusätzliche Stellen in der Stadt diskutiert, über Fotospots für Touristen, über Kulturgelder und Benefits für die Angestellten. Und nicht zu vergessen über eine Steuersenkung – da war es schon nach ein Uhr nachts.
von Elena Stojkova und Mark Liebenberg
Dieses Jahr überschreitet die Stadt Schaffhausen erstmals die 100-Millionen-Franken Marke bei den Einnahmen durch die Unternehmenssteuern. Doch nur wenige internationale Unternehmen leisten den Hauptteil des Steuersubstrates. Gestern Abend wurde im Grossen Stadtrat denn auch viel über Risiken diskutiert.
Das Interessanteste kommt stets zum Schluss – im Falle der gestrigen Debatte um das städtische Budget fürs nächste Jahr der Steuerfuss. Kurz nach 1 Uhr nachts fiel der Entscheid: In der Stadt Schaffhausen sinkt der Steuerfuss um vier Punkte auf 86 Prozent. Das hat eine Mehrheit von 21 Parlamentsmitgliedern entschieden. Durch die Senkung entgehen der Stadtkasse – in einem Geldbetrag ausgedrückt – rund 4,5 Millionen Franken.
Kurz zuvor hatten sich die Fronten geklärt. Für einen gleichbleibenden Steuerfuss von 90 votierte die SP-Fraktion. Die Vierprozentsenkung, welche die Geschäftsprüfungskommission (GPK) verlangt hatte, verschlechtere künftige Jahresrechnungen, während die Stadt gleichzeitig viel investieren müsse. «Dabei hat die Stadt schon heute eine sehr kompetitive Steuerbelastung», meinte Fraktionschef Thomas Weber (SP).
Der Stadtrat wollte nur zwei Prozent runter, nur fünf Ratsmitlieder folgten ihm. Es schienen gestern klar vier Prozent in der Luft zu liegen – «das lässt sich vor dem erneuten Rekordergebnis verantworten», war eine so oder anders mehrfach geäusserte Floskel gestern Abend. Im Vergleich zu den letzten beiden Jahren bemerkenswert war, dass auch drei der vier GLP-Vertreter mit dem geschlossenen Bürgerblock für die deutliche Steuersenkung stimmte, und auch zwei Parteilose sowie die beiden Vertreter von Mitte und EVP.
Und da nun die Mehrheit ihre Steuerfusssenkung erhalten hatte, ist auch die Lohnsummenentwicklung fürs städtische Personal von 3 Prozent ohne Diskussion über die Bühne gegangen.
Das Beste kam also zum Schluss – schlussendlich hatte man sich zuvor, wie immer, leidenschaftlich über die vielen Investitionen, den Steuerfuss, die Löhne fürs Personal und zusätzliche Stellen gezofft. Im folgenden die wichtigsten Budgetposten, die an diesem langen Dienstagabend Thema waren.
Wo soll der Polizeiposten in der Stadt nun hin?
1,5 Millionen: Polizeiposten ja, aber wo? Viele offene Fragen gibt es um einen Kredit für einen gemeinsamen neuen Polizeiposten von Stadt und Kanton. Der soll am bisherigen Standort der Schaffhauser Polizei, nämlich in der «Neuen Abtei» an der Beckenstube 1 eingerichtet werden. Mehrere Fraktionen bezeichneten den Standort als ungeeignet. «Einen abgelegeneren Ort in der Altstadt gibt es nicht», sagte Marco Planas (parteilos). Sogar Thomas Weber (SP) meinte, es sei gescheiter den Kredit jetzt noch abzulehnen und zu warten, bis man Alternativen geprüft hat. «Die Sicherheitslage ist nicht ideal in der Stadt.» Nicole Herren (FDP) stellte den Antrag, den Budgetposten von 1,5 Millionen Franken zu streichen, stattdessen solle eine Vorlage ausgearbeitet werden. Der Antrag von Herren wurde mit 16 zu 19 Stimmen abgelehnt.
Ein Fotospot beim Brunnen am Freien Platz
Der Brunnen am Freien Platz, dessen ursprüngliche Brunnenfigur vermisst wird, soll einen Treppenaufgang mit einer Plattform über der Brunnensäule erhalten: Die Idee der Innenstadtentwicklung ist es, einen Fotospot zu schaffen. Ziel ist, Schaffhausen bekannter zu machen und für Touristinnen und Touristen ein zusätzliches Erlebnis zu schaffen. Auf dem Freien Platz sind zudem weitere Bäume und Sitzgelegenheiten geplant. 400'000 Franken soll das Projekt insgesamt kosten.
Im Rat überzeugte die Idee gestern nicht alle: Marco Planas (parteilos) und Hermann Schlatter (SVP) wollten genauer wissen, was geplant ist. Die Befürchtung: Man würde eventuell die Aussenbereiche der Gastronomie kleiner machen. Katrin Bernath jedoch versicherte, das Projekt habe bei den Akteuren der Unterstadt Zuspruch gefunden. Trotzdem: Schlatter stellte den Antrag, den Betrag auf 100'000 Franken zu reduzieren, sich zunächst nur um den Fotospot beim Brunnen zu kümmern und den Freien Platz ansonsten zu belassen, wie er ist. Seinem Antrag wurde mit 17 zu 14 Stimmen zugestimmt.
Wer zahlt nun fürs Rheumabad in der Stahlgiesserei?
350'000 Franken sind im Budget neu für die neuerliche Unterstützung des Therapiebades der Rheumaliga in der Stahlgiesserei eingeplant. Der Betrag war von der GPK neu eingebracht worden, weil der Betreiberverein in Geldnot sei. Dass das nötig ist, bezeichnete Christoph Hak (GLP) als finanzielles Desaster fürs Bad. «Was ist da schiefgegangen?» Rhetorisch fragte er, wieso man dann nicht auch dem Tierheim oder dem FCS einfach so Geld überweise. Die Gesundheitsförderung sei ausserdem Sache des Kantons, so Hak. Er stellte den Antrag, den Unterstützungsbeitrag zu streichen.
Mariano Fioretti (SVP) hingegen fand, das Bad brauche diese einmalige Unterstützung und es sei gut investiertes Geld für ein solches Angebot in der Stadt – der Kanton habe ausserdem auch schon Beiträge gesprochen. Auch die SP sprach sich für die Unterstützung aus. Der Stadtrat hat insgesamt schon 100'000 Franken fürs Rheumabad gesprochen, weil es einen Mehrwert nicht nur, aber auch für die städtische Bevölkerung biete, sagte Stadträtin Christine Thommen (SP). Eine weitere Unterstützung lehne der Stadtrat ab, man sehe nun den Kanton im Lead – und andere Gemeinden, die vom Bad profitierten, weil dort etwa auch ein Babyschwimmen stattfindet. Der Antrag auf Streichung fand keine Mehrheit, mit 25 zu 7 Stimmen hatte die Ratsmehrheit ein Herz fürs Bad.
Und jetzt stimmt das Volk über ÖV-Vergünstigungen ab
Die städtischen Mitarbeitenden sollen Vergünstigungen für den öffentlichen Verkehr – persönliche, nicht übertragbare ÖV-Gutscheine – erhalten. Dafür waren 295'000 Franken budgetiert. Unnötig, fanden einige Ratsmitglieder gestern Abend. Die städtischen Angestellten würden so schon viele Vorteile geniessen, sagte Michael Mundt (SVP) und plädierte für Fairness gegenüber anderen hart Arbeitenden. Er beantragte, den Budgetposten zu streichen.
Matthias Frick (SP) fand das weniger eine Bevorzugung als eine Attraktivierung der städtischen Arbeitsstellen, Christian Ranft (SP) fügte hinzu, man müsse jede Möglichkeit nutzen, die Mobilitätswende zu fördern. Es gehe um die Vorbildfunktion und um die Klimaziele, meinte Stadtpräsident Peter Neukomm (SP). «Wir wollen, dass unsere Mitarbeitende möglichst mit dem ÖV zur Arbeit kommen.» Man müsse ausserdem mit anderen Arbeitgebern mithalten können.
Severin Brüngger (FDP) setzte sich für eine Lohnentwicklung von 3 Prozent ein – der Stadtrat beantragte 2,8 Prozent –, so könne man auf zusätzliche Benefits wie ÖV-Vergünstigungen verzichten. Überraschend stellte Mariano Fioretti (SVP) den Antrag, den Beitrag sogar zu erhöhen auf 350'000 Franken, fügte aber hinzu, dass sich der Rat das wohl nicht trauen werde, denn bei diesem Beitrag würde das Volk über die Vergünstigungen für die städtischen Angestellten abstimmen müssen. Tatsächlich nahm der Rat seinen Antrag mit 19 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung an. Die Stimmberechtigten werden also an die Urne gebeten, um zu entscheiden, ob das Personal günstiger Bus fahren darf.
Über 50 neue Vollzeitstellen für die Stadt
Stellenwachstum bremsen: 51 neue Vollzeitstellen will die Stadt schaffen, überwiegend in der Schule und in der Gesundheit und Pflege. Aber auch in der Verwaltung. Diese nicht noch weiter unnötig «aufzublähen», war gestern erklärtes Ziel der Bürgerlichen – und sie scheiterten dabei mehrheitlich. Sei es eine neue 80-Prozent-Kontrolleurstelle für öffentliche Parkplätze, sei es bei einer neuen Vollzeitstelle im Veranstaltungsmanagement bei der Verwaltungspolizei.
Oder zum Beispiel eine 70 Prozentstelle in der Kommunikation, oder gut 95'000 Franken im Budget. «Ich erhalte bald jeden zweiten Tag eine Medienmitteilung von der Stadt», höhnte Severin Brüngger (FDP). Stadträsident Peter Neukomm (SP) hielt dagegen, für eine mittelgrosse Stadt seien die total 250 Stellenprozent in der Kommunikation wenig und je aktiver die Stadt bei ihren vielen Projekten sei, desto mehr Kommunikation brauche es. Mit einer Stimme Unterschied behielt der Rat die Stelle im Budget drin.
Verhätschelt man die Kammgarn oder nicht?
60'000 Franken mehr soll die Kammgarn in einer Leistungsvereinbarung erhalten. Von den vom Stadtrat neu geplanten 170'000 Franken runde 40'000 Franken wegkürzen wollte Thomas Stamm (SVP). Man bekomme für das Geld nämlich nicht mehr Leistung. «Die Verantwortlichen haben sich daran gewöhnt, dass sie keine Eigenmittel auftreiben müssen, sondern bloss die hohle Hand beim Steuerzahler zu machen brauchen.»
Stamm lobte explizit das TapTab, welches innert kürzester Zeit 50'000 Franken per Crowdfunding gesammelt hat, als es kein Geld mehr hatte. Stadtrat Raphaël Rohner (FDP) machte auf die Transformationsphase aufmerksam, in der sich das Kulturlokal befinde, Stichwort mehr Professionalisierung und grossen Umwälzungen in der Konzertveranstaltungsbranche, mehr Aufwand für Technik und Gagen. «Dazu kommt, ich sag es mal so, dass immer weniger gesoffen wird im Ausgang», wusste Thomas Weber (SP). Private Veranstalter müssten auch mit diesen neuen Herausforderungen umgehen, entgegnete Stamm. Mit 12 zu 21 Stimmen blieb sein Antrag chancenlos.
Zentraler Materialbeschaffer im Kreuzfeuer
Büromöbel, Computerbildschirme, Bleistifte, Putzmittel – bis hin zum Wareneinkauf für Altersheimrestaurants: Mit einer Pensenaufstockung im Hochbauamt will die Stadt das Beschaffungswesen noch stärker zentralisieren und nachhaltiger machen. Nicole Herren (FDP) verlangte, diese gut 120'000 Franken zu kürzen: Zentrale Beschaffungen könnten Gefahr laufen, dass das lokale Gewerbe den Kürzeren ziehe und durch kompliziertere Ausschreibungen und bürokratische Hürden entstehen.
Was lokal beschafft werden könne, solle auch hier beschafft werden, meinte Baureferentin Katrin Bernath (GLP). «Es geht um viel Geld. Uns geht es darum, dass wir einen besseren Überblick erhalten, das entspricht dem Effizienzgebot.» Die GPK sprach sich dafür aus, zu dieser neuen Stelle eine eigene Vorlage zu verlangen, weil es so viele offene Fragen gebe. Mit 21 zu 14 Stimmen stimmte das Parlament für diesen Weg.
Grüne Daumen schnellen hoch für «Grün Schaffhausen»
Eine Stadt, die immer grüner wird, wird auch immer aufwändiger im Unterhalt. Eine neue Baumpflegestelle und zwei weitere Stellen Unterhalt bei der städtischen Grünabteilung braucht es da dringend auf nächstes Jahr, rechnet der Stadtrat vor. Markus Leu (SVP) bezweifelte das. Es finde gar kein Bestandeswachstum statt, beziehungsweise die Stadt könne ja bei Bedarf auf Anbieter aus der Privatwirtschaft zurückgreifen, um dem stetigen Pensenwachstum entgegenzuwirken.
Leu scheiterte mit 14 zu 21 Stimmen, die Ratsmehrheit wollte drei neue Leute in der Grünpflege.
Keine Chance hatte übrigens auch der Antrag, auf ein Förderprogramm für begrünte Fassaden über 210'000 Franken zu verzichten, weil es keiner zusätzlichen Förderung bedürfe: Das Bewusstsein sei bereits heute vorhanden und entsprechende Massnahmen würden auch von privater Seite getroffen werden. Für Dachbegrünungen sei sie obsolet, weil dafür sowieso eine Pflicht bestehe. Trotzdem hielt der Rat daran fest.
«Der teuerste Garten der Stadt» sei das Betriebsgebäude von Grün Schaffhausen an der Reinhartstrasse schon heute, meinte Severn Brüngger (FDP). Eine Schrägdachbegrünung für 150'000 Franken brauche es daher nicht auch noch, denn diese bringe «keinen zusätzlichen Nutzen». Doch sein Antrag auf Streichung misslang.