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Schaffhauser Nachrichten: Erster Ökumenische Medienpreis der Schaffhauser Landeskirche: Das sind die Gewinner

12 Apr. 2024

Am Mittwochabend wurde zum ersten Mal der Ökumenische Medienpreis der Schaffhauser Landeskirchen an drei Personen...

Fast die Hälfte der Kinder in der Stadt sprechen im Vorschulalter die Landessprache kaum oder nicht, gleichzeitig fordern Kinder aus der Ukraine die Schule, und es fehlt an Lehrpersonen. Trotz all dieser unmittelbaren Fragen ­plädiert der städtische ­Bildungsreferent dafür, die Vermittlung von Werten nicht zu vergessen.

von Robin Blanck

Die Palette ist breit und reicht von Sprachproblemen über die Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in Regelklassen bis hin zu Eltern, die Erziehungsverantwortung an die Schule delegieren: An Herausforderungen mangelt es der Schule wahrlich nicht. Raphaël Rohner, Bildungsreferent der Stadt, erklärt, wie Schaffhausen mit diesen Fragen umgeht – und er spricht darüber, was vergessen zu gehen droht: Bildung ist mehr als die Vermittlung von Faktenwissen.

Am letzten Wochenende haben die ­Stimmberechtigten dem Schulgesetz ­zugestimmt, kürzlich hat sich der Grosse Stadtrat deutlich für die Einführung von Schulleitungen ausgesprochen: Es läuft gut in der Schule?
Raphaël Rohner: Die Zustimmung zur Schul­leitungsvorlage ist das Ergebnis einer Entwicklung, die schon vor Jahren eingeleitet wurde: Die neuen Mehrheiten zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Was muss Bildung heute leisten?
Ich habe ihm Buch «Bildung, Verantwortung, Freiheit» von Carl Oechslin einen Satz gefunden, der es auf den Punkt bringt: «Es braucht nicht nur Kredite für Schulhäuser und Turnhallen, sondern ebenso tätige Hingabe, Zeit, Geld und Geist für die Entwicklung einer menschenfördernden Pädagogik.» Neben der Vermittlung von Wissen lag der Fokus schon immer darauf, selbstständige Menschen hervorzubringen, die in der Lage sind, sich selber eine Meinung zu bilden und nicht einfach alles zu glauben, das man ihnen vorsetzt – heute mit der digitalen Information ein ganz heikles Thema. Dazu gehört, sich selber einzubringen, nicht nur in der Familie, sondern auch in der Gesellschaft. Es geht in der Schule, kurz gesagt, auch um die Werte der Aufklärung.

Im Schulbereich steigt der Druck aber seit Jahren. Droht deshalb nicht genau das Gegenteil von dem, was Sie sich ­wünschen: Ist nicht zu befürchten, dass die Schule am Schluss nur noch die Anforderungen des Arbeitsmarktes erfüllt – und der Rest fällt weg?
Doch. Ich nehme das mit einer gewissen Besorgnis wahr. Eine Vorbereitung allein auf die weitere Ausbildung ist zu kurzfristig gedacht, der Mensch muss in der Schule für das ganze Leben gerüstet werden. Er muss inhaltlich reflektieren können. Aber vor lauter Reagieren auf vermeintlich Aktuelles verlieren wir dieses Ziel aus den Augen. An den pädagogischen Hochschulen mag das noch präsent sein, auf Gemeindeebene vermisse ich das und versuche, das einzubringen. Das Verständnis schwindet – auch weil jede neue Generation zwar gut ausgebildet wird, aber Grundlegendes wie der Umgang mit ethischen oder moralischen Fragen als gefährdet betrachtet werden muss. Deshalb versuche ich als Bildungspolitiker, auch im Kantonsrat Akzente zu setzen, etwa wenn es um ein Langzeitgymnasium geht, das von der Regierung zwar abgelehnt wird, aber wichtig wäre …

Weshalb?
Weil wir uns mit den schwächeren Schülern auseinandersetzen müssen, aber eben auch mit den stärkeren. Denn nur wenn die Starken auch stark bleiben, können wir die Schwachen wirksam fördern. Zudem bringt die Digitalisierung – neben vielen positiven Seiten – auch Negatives mit sich, etwa eine Flut an Informationen. Dabei geht rasch vergessen, dass man kritisch hinschaut und nicht einfach alles glaubt. Dass dies abhandenkommt, ist in meinen Augen eine sehr schlechte Entwicklung. Ich bemerke diesbezüglich eine Oberflächlichkeit und das in einem Land, das in vielerlei Hinsicht zur Weltspitze ­gehört.

In den Vordergrund schieben sich im Schulbereich indes drängende Probleme: Kürzlich wurde die Vorlage zur Frühen Förderung ans Parlament geschickt, ­welche dem Umstand Rechnung tragen will, dass fast bei der Hälfte der Kinder im Vorkindergartenalter erhebliche sprachliche Defizite bestehen …
Das ist jetzt nicht mehr die Theorie, sondern die Praxis, die nach Lösungen verlangt. Die Migration beschäftigt die Schulen tatsächlich auf verschiedenen Ebenen stark, denn es ist ein schwerwiegendes Probleme, dass manche Kinder die Sprache nicht mehr beherrschen. Diese ist letztlich nicht nur Schlüssel zur Gesellschaft, sondern auch Grundlage für beruflichen Erfolg – und daher so zentral.

Wie stellt sich die Situation in diesem ­Bereich dar?
Die Erhebungen zeigen Erschreckendes: 46 Prozent der Kinder verfügen eineinhalb Jahre vor dem Kindergarteneintritt über ungenügende Sprachkenntnis oder diese fehlt ganz. Ich habe Kindergärten in der Stadt besucht, in denen nur ein oder zwei Kinder die sprachlichen Anweisungen der Lehrperson verstanden haben. An einem Elternabend mit 90 Prozent fremdsprachigen Eltern wurde mit Übersetzern und Symbolen vermittelt, dass das Kind verpflegt und ausgeschlafen in die Schule kommen soll. Das heisst: Wir müssen handeln, sonst sind diese Kinder nicht nur eine Belastung für das Schulsystem, sondern haben auch keine Chance, in der anspruchsvollen Berufswelt Fuss zu fassen. Hier wollen wir mit der Frühen Förderung eine Brücke bauen, indem wir die Jahre vor dem Eintritt nutzen und versuchen, Defizite zu beheben – mit einfachen, praxisbezogenen Übungen, die im Umfeld der Kindertagesstätten stattfinden.

Funktioniert der Ansatz?
Bisher stösst das auf positive Resonanz, etwa 80 Prozent der beteiligten Eltern leisten den Empfehlungen Folge, sodass wir bei den Kindergärten erste Anzeichen für eine Verbesserung haben. Aber es ist noch ein langer Weg.

Geht es nur um sprachliche Barrieren?
Nein, es geht auch um Familien aus bildungsfernen Schichten, die betroffen sind. Ein Kind benötigt eben auch ein anregendes Umfeld, das zum Lernen und Entwickeln animiert und sich nicht im Fernsehschauen erschöpft. Hier bewegen wir uns weit weg davon, was als Auftrag der Schule zu bezeichnen wäre, denn die Schaffung einer solchen Umgebung wäre Aufgabe der Eltern. Was zunehmend fehlt, ist ein angemessenes Verständnis dafür, was in der Erziehung Aufgabe der Eltern und was Aufgabe der Schule ist.

Das alte Lied: Die Schule übernimmt zwangsläufig die Erziehung?
So ist es leider. Und damit werden wiederum die Lehrpersonen zu stark belastet. Alle Massnahmen, die wir in die Wege leiten, sollen nicht nur den Kindern helfen, sondern auch den Lehrpersonen Entlastung bringen.

Wie erwähnt, gibt es viele fremdsprachige Kinder, dazu kommen schulpflichtige ­Kinder aus der Ukraine, welche ebenfalls beschult werden müssen. Das dürfte die Situation verschärfen?
Richtig. Irgendwann kann das System dies alles nicht mehr leisten. Deshalb hat der Stadtschulrat in Absprache mit dem Erziehungsdepartement beschlossen, von der bisherigen Devise der direkten ­Integration in der Primarschule umzuschwenken auf ein Vorgehen, das Einführungsklassen für Fremdsprachige vorsieht. Wir haben inzwischen rund 80 Kinder aus der Ukraine in der Stadt, das hat manche Schulen vor nur schwer lösbare Probleme gestellt. Mit den Einführungsklassen sollte das aufgefangen werden können.

Die Anforderungen an die Schulen steigen, gleichzeitig findet man nicht ­genügend Lehrpersonen: Gemäss Job-­Portal des Kantons sind 77 Stellen im Bildungs­bereich ausgeschrieben. Ist dieser Mangel eine Folge der anspruchsvoller werdenden Tätigkeit im Schulzimmer?
Die Ursachen sind unterschiedlich: Es geht einerseits um zu tiefe Besoldung, aber auch um herausfordernde Situationen, bei den man sich als junge Lehrperson – zu Recht – überfordert fühlt. Und dann hat man natürlich verpasst, sich auf die demografische Entwicklung einzustellen und frühzeitig Lösungen gegen die Personalnot zu suchen. Die Situation der Lehrpersonen ist mir aber ein ganz wichtiges Anliegen: Die Lehrpersonen müssen wissen, dass wir nicht nur hinter ihnen stehen und alles Mögliche unternehmen, aber wenn es um die Arbeitsbedingungen geht, ist der Kanton als Arbeitgeber gefordert: Eine Überprüfung der Besoldung wurde schon mit einem Vorstoss aus dem Jahr 2019 gefordert, das ist inzwischen überfällig.

Kürzlich konnte man auf der Front einer nationalen Zeitung lesen, dass sich eine Entspannung im Bereich der Lehrpersonen abzeichne. Diese Wahrnehmung stelle ich bei Ihnen nicht fest.
Diese haben wir in der Region noch nicht, obschon wir die Stellen im letzten Jahr weitgehend besetzen konnten.

Wenn es ums Geld geht, besteht noch ­weiterer Diskussionsbedarf: Ein Vorschlag aus dem Erziehungsdepartement zur Mitfinanzierung der Schulkosten der ­Gemeinden wurde kürzlich bereits in der Kommission abgelehnt. Was nun?
Diese Frage bleibt aktuell, gerade auch mit Blick auf die Finanzierung der Schulleitungen. Und natürlich auch, wenn wir über die Einführung der integrativen Schulung (ISF) sprechen.

Sie nennen das Stichwort: Integrative Schulung. Jetzt haben wir bereits über die Herausforderungen in der Schule gesprochen. Während man in der Bildung mit all diesen Problemen die Quadratur des Kreises versucht, sollen noch Kinder mit besonderen ­Bedürfnissen in Regelklassen integriert werden. Wie soll das gelingen?
Die Frage ist berechtigt, und wir müssen ISF ganz kritisch anschauen: Ich persönlich glaube nicht, dass die ­flächendeckende Einführung von ISF sinnvoll und möglich ist. Aufgrund der gemachten Erfahrungen in anderen Kantonen stehe ich mit dieser Einschätzung nicht mehr ganz allein da, auch namhafte Experten sehen das inzwischen so.

Was heisst das konkret?
Punktuell macht ISF Sinn, daran sind wir in der Praxis bereits – ich möchte hier das Steingutschulhaus erwähnen, das mit einem sehr engagierten Team in diesem Bereich aktiv ist. Aber eine weitestgehende Integration mit Auflösung der Sonderschulen ist meiner Meinung nach nicht realistisch. Ich bin auf die kantonale ISF-Vorlage ­gespannt und hoffe, dass diese einen ­offenen Rahmen setzen wird, welcher den Gemeinden Spielraum lässt, ISF bedarfsgerecht einzuführen.
 
Wie könnte das in der Stadt aussehen?
Es könnte einen Mittelweg geben, der Varianz zulässt und nicht noch viele zusätzliche Personen ins Schulzimmer bringt, denn auch hier gibt es eine Obergrenze. Wichtig ist in meinen Augen eine angemessene Würdigung der Bedürfnisse – jene der Kinder, des Systems und der Lehrpersonen sowie professionelle Unterstützung.
 
Aber vor allem gibt es ja gar nicht ­ausreichend schulische Heil­pädagoginnen für die Integration.
Richtig, die fehlen heute schon. Zwar will man mit der Schaffung zusätzlicher Studienplätze Abhilfe schaffen, aber das dauert noch. Kurz gesagt: ISF wird pragmatisch umgesetzt werden müssen. Priorität hat, dass die Schule handlungsfähig bleibt.
 
Wie muss die Schule in zehn Jahren aussehen?
Ein klar definiertes schulisches Umfeld mit Tagesstrukturangeboten dazu Rahmenbedingungen, die eine gewisse Individualität zulassen. Dann eine Freiheit der Lehrpersonen im Unterricht. Bei der Aufgabenteilung zwischen Stadt und Kanton braucht es ein gutes austariertes Finanzierungsmodell. Aber vor allem braucht es auch die nötige Ruhe im System, es braucht vermehrt Stabilität. Denn diese ist die Grundlage für einen Unterricht, der zum gewünschten Lernerfolg führt.
 
Herr Rohner, Sie haben angekündigt, nicht für eine Wiederwahl in den ­Stadtrat zur Verfügung zu stehen, mit dem Thema Bildung haben Sie sich aber während vielen Jahren befasst: Werden Sie auch nach ihrem Aus­scheiden aus der Stadt-Exekutive im Bildungsbereich tätig sein?
In diesem Bereich habe ich Erfüllung gefunden und diesen will ich auch künftig begleiten, etwa indem ich nochmals für den Kantonsrat kandidiere. Weitere Möglichkeiten sind ­offen.

sn 20230315

Als Bildungsreferent muss Rohner dafür sorgen, dass die Schule trotz Herausforderungen funktioniert. Bild: Melanie Duchene
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