Das Literaturfestival «Erzählzeit ohne Grenzen» Singen-Schaffhausen ist im Stadttheater mit der Schriftstellerin Martina Clavadetscher, dem Literaturprofessor Philipp Theisohn und dem Musikduo Fitzgerald & Rimini eröffnet worden.
von Wolfgang Schreiber
34 Autorinnen und Autoren werden bis 11. Juli bei 60 Veranstaltungen in 40 Städten und Gemeinden in den Kantonen Schaffhausen und Zürich und im deutschen Hegau und deutschen Klettgau auftreten und Literatur zu Gehör bringen. Nach Begrüssungs- und Eröffnungsworten von Regierungsrat Martin Kessler und Stadtrat Raphaël Rohner gab es im Stadttheater am Freitagabend tatsächlich etwas aufs Ohr. Noch bevor die Schriftstellerin und der Literaturprofessor auf dem weissen Sofa auf der Bühne Platz nahmen, wurden Fitzgerald & Rimini von Moderatorin Monika Schärer auf die Bühne gebeten.
Das Duo besteht aus der Autorin und Performerin Ariane von Graffenried und dem Musiker und Klangkünstler Robert Aeberhard. Die beiden treten in Musikclubs und an Literaturfestivals im In- und Ausland auf. In Schaffhausen waren sie noch nie. Also eine Premiere. Für das Publikum im Stadttheater, darunter auch Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, war das Duo auch eine Entdeckung. Denn Fitzgerald & Rimini bewegen sich seit Jahren an der Schnittstelle von Musik, Literatur und Performance. Aus der Reihe der Figuren aus ihrem neuen Album trugen sie im Stadttheater die Geschichte der Auguste Wenzel vor, einer Märzgefallenen in Berlin 1848, von Madame Bovari aus Porrentruy und die Geschichte vom Sexroboter Harmony. Der Sexroboter Harmony ist eine sprechende Silikonpuppe mit künstlicher Intelligenz.
Dem Sexroboter Harmony, oder der Herstellung von Sexrobotern in China, widmete Martina Clavadetscher ein Kapitel in ihrem neusten Roman «Die Erfindung des Ungehorsams». Kein Zufall, dass sie im Stadttheater diese Kapitel dem Publikum vorlas. Denn Roboter, die menschenähnlich konstruiert und tatsächlich schon hergestellt werden, war auch das Thema, das Literaturprofessor Theisohn mit Martina Clavadetscher besprach. Clavadetscher, die schon in Stein am Rhein aus ihrem Roman «Knochenlieder», für den sie 2017 für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde, vorgelesen hat, lässt in ihrem neusten Roman drei Frauen auftreten. Sie las vor, wie Iris in Manhattan durch ihr Penthouse rennt und voller Ungeduld auf die nächste Dinnerparty wartet, eine Party mit Literatur, die ihr wieder ein wenig Leben einhaucht. Dann Iris Halbschwester Ling, angestellt in einer Sexpuppenfabrik im Südosten Chinas. Sie kontrolliert künstliche Frauenkörper auf Herstellungsfehler. Wie ein Fleischbeschauer im Schlachthaus untersucht sie die Silikonkörper.
«Schwierig ...», nannte ein nachdenklicher Oberbürgermeister die Performances von Martina Clavadetscher und dem Duo Fitzgerald & Rimini. Doch er sah, dass dies, was auf der Bühne des Stadttheaters geboten wurde, ganz aktuelle Strömungen in der Literatur sind. Künstliche Menschen und verfemte Frauen: darüber wird aktuell geschrieben und erzählt. Spannend und empfehlenswert sind ganz gewiss auch die folgenden Lesungen der «Erzählzeit ohne Grenzen». Bis 11. Juli ermöglichen die Werke von Simone Meier, Dana Grigorcea und Usama Al Shahmani sowie 31 weiteren Autoren perspektivenreiche Einblicke in das aktuelle deutschsprachige Literaturschaffen. Alle Veranstaltungen werden nach den geltenden Schutzbestimmungen durchgeführt. Daher ist die Kapazität der einzelnen Leseorten begrenzt. Dafür steht dieses Jahr eine Online-Reservation auf der Website des Literaturfestivals www.erzaehlzeit.com zur Verfügung.