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Schaffhauser Nachrichten: Erster Ökumenische Medienpreis der Schaffhauser Landeskirche: Das sind die Gewinner

12 Apr. 2024

Am Mittwochabend wurde zum ersten Mal der Ökumenische Medienpreis der Schaffhauser Landeskirchen an drei Personen...

Was macht der Lockdown mit dem Schaffhauser Kulturleben? Darüber geben der städtische Kulturreferent Raphaël Rohner und der Gesamtleiter des Stadttheaters, Jens Lampater, Auskunft.

von Alfred Wüger

In der Kulturstadt Schaffhausen finden zurzeit wegen der Corona-Pandemie keine Live-Veranstaltungen statt. Das sorgt für Frustration bei den Kunstschaffenden. Dennoch stecken sie den Kopf nicht in den Sand, sondern erfinden sich und ihre Arbeit neu, nehmen zum Live- Streaming Zuflucht, um ihr Publikum zu erreichen. Was dabei notwendigerweise auf der Strecke bleibt, ist der lebendige Diskurs von Angesicht zu Angesicht.

Zwar können sich Künstlerinnen und Künstler neu erfinden und neue, digitale Wege suchen und begehen, um sich und ihre Arbeit dem Publikum zum Beispiel via Live-Streaming zu zeigen. Was dabei indes auf der Strecke bleibt, ist der Kontakt mit dem Publikum und der Kontakt des Publikums untereinander und mit den Kunstschaffenden. Solche Begegnungen sind essenziell. Und doch gilt es, noch monatelang darauf zu verzichten. Der Theatermann Jens Lampater und der Politiker Raphaël Rohner sprechen über die Kultur in der Ausnahmesituation.

Es ist früh am Morgen, wir laufen durch eine gespenstische, ausgestorbene Stadt …

Jens Lampater: Na ja …

Wie fühlt er sich an, der Lockdown in Schaffhausen?

Raphaël Rohner: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass das noch längere Zeit so sein könnte. Aber immerhin stellen wir fest, dass die Belastung der Bevölkerung nun weniger gross ist, weil gewisse Betriebe wieder offen haben.

Lampater: Meine persönliche Erfahrung ist die: Ich bin unglaublich viel zu Hause. Sonst bin ich abends dreimal die Woche nicht daheim. Es ist nach wie vor eine wirklich surreale Situation. Wir hoffen, dass es Schritt für Schritt zurückgeht zur Normalität. Für das gesamte soziale Leben, und da gehört die Kultur dazu, ist der Lockdown eine absolute Ausnahmesituation.

Hat man sich an diese Ausnahmesituation schon etwas gewöhnt?

Rohner: Nein, ich glaube, das darf man auch nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich nicht mehr gewohnt ist, das es Situationen gibt, die sie nicht beeinflussen kann. Und vielleicht ist die Krise auch eine Art Chance, dass wir die wahren Werte des Lebens vermehrt erkennen.

«Wir Politiker müssen sichtbar sein, wo andere im Einsatz stehen. Die Politik kann sich nicht irgendwo im Homeoffice verstecken.»

Raphaël Rohner, Stadtrat

Die Erfahrung zeigt, dass solche Tendenzen nicht sehr nachhaltig sein müssen.

Rohner: Wir brauchen dennoch eine vorsichtig positive Haltung. Gerade als Vertreter der öffentlichen Hand tragen wir eine grosse Verantwortung. Wir Politiker müssen sichtbar sein. Wir müssen dorthin gehen, wo andere im Einsatz stehen. Die Politik kann sich nicht irgendwo im Homeoffice verstecken.

Zurzeit gibt es keine kulturellen Veranstaltungen in der Stadt. Wie gross ist das Entsetzen darüber?

Rohner: Es gibt ein Bedauern und eine Konsternation gleichzeitig. Die Emotionen betreffen nicht nur den Bereich Kultur, sondern das ganze soziale Leben. Auch die Wirtschaft gehört dazu. Wirtschaft und Kultur darf man nicht gegeneinander ausspielen. Die Kultur entsteht im Herzen. Das Bedürfnis nach Kultur, das wir jetzt anders ausleben müssen, ist eine innere Stärke, die uns helfen kann, über diese Zeit hinwegzukommen.

Lampater: Ich sage etwas zum Wort «Entsetzen». Das ist der falsche Begriff. Ich war entsetzt, als ich gehört habe, dass der amerikanische Präsident vorschlägt, Desinfektionsmittel zu spritzen. Alle in der Kulturbranche waren irgendwie auf den Lockdown vorbereitet. Was mich sehr erstaunt hat, ist, dass die Kultur, zum Beispiel in Deutschland, in den Debatten völlig vergessen wurde. Darüber gibt es in der Kulturszene dort eine grosse Frustration. In der Schweiz hingegen hat der Bundesrat den Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaft sehr gut gewürdigt. Auch in Sachen Kulturhilfe hat man in der Schweiz sehr schnell reagiert. In andern Ländern wurden die freischaffenden Künstler lange im Ungewissen gelassen.

Rohner: Der Bund, der Kanton und die Stadt Schaffhausen haben Gelder gesprochen, als Soforthilfe und als Ausfallentschädigung dort, wo die Kultur gewinnorientiert arbeitet. Und in der Stadt haben wir ein klares Zeichen gesetzt, indem wir unseren zwölf Partnern, mit denen wir Leistungsvereinbarungen haben, unseren Beitrag zahlen, und zwar auch dort, wo wir Einzelprojekte unterstützen, selbst wenn die vereinbarten Leistungen jetzt wegen der Coronakrise nicht erbracht werden können. Das kam gut an. Es gibt eine Verpflichtung des Staates gegenüber Kultur, Wirtschaft und Bildung. Sie sind wesentlich ist für das Funktionieren der Gesellschaft.

Wie geht es den Kunstschaffenden in der Stadt Schaffhausen? Und wie geht es im Stadttheater weiter? Ist man bereit, sofort wieder mit dem Spielbetrieb loszulegen, und wie würde das praktisch aussehen? Was gibt es für Konzepte?

Lampater: Bei den Kunstschaffenden in Schaffhausen gibt es eine grosse Frustration darüber, dass man der Arbeit nicht nachgehen kann. Im Theater ist es so, dass wir die letzte Veranstaltung am 4. Juni gehabt hätten. Nun ist die Saison für uns abrupt zu Ende, und die neue Saison beginnt Mitte September. Ob das aber heisst, dass dann nur jeder zweite Platz besetzt wird, ob es heisst, dass die Techniker, die Garderobefrauen und die Platzanweiserinnen mit Masken arbeiten müssen, das ist offen. Was heissen Abstandsregeln auf der Bühne? «Romeo und Julia» mit zwei Metern Abstand? (Er lacht) Darüber brauchen wir aber jetzt auch nicht nachzudenken. Der schweizerische Bühnenverband, die Orchesterverbände und weitere sind dabei, ein Konzept für die Wiedereröffnung auszuarbeiten.

Rohner: Wir müssen auch vom Museum und von der Stadtbibliothek sprechen und vom Stadtarchiv. Im Museum wäre man bereit für alle Ausstellungen. Die Hühnerausstellung beispielsweise könnte man schon bald problemlos eröffnen, ohne Vernissage selbstverständlich. Vor allem aber die «Ernte» im Dezember wollen wir unbedingt durchführen. Das Stadtarchiv bearbeitet alle telefonischen oder elektronischen Anfragen, und in der Stadtbibliothek erleben wir einen massiven Zuwachs bei der Nutzung der digitalen Bibliothek. Auch das Museum hat ein interessantes digitales Angebot.

«Kein digitales Streaming der Welt kann das Zusammenkommen von Menschen bei einem Live-Erlebnis ersetzen.»

Jens Lampater, Gesamtleiter Stadttheater Schaffhausen

Der Kulturkonsum ist ja nicht gefährdet. Digital kann ich 24 Stunden lang Kultur geniessen. Ist das Internet in der Bedeutung für die Kultur gestiegen? Ich denke an den Live-Stream des «Kulturraums», ich denke daran, dass das Schaffhauser Jazzfestival dieses Jahr im virtuellen Raum stattfinden wird.

Lampater: Teilweise stimme ich zu, teilweise widerspreche ist. Bei Lichte besehen ist seit den Zeiten der griechischen Antike ein ganz wesentlicher Bestandteil der Kultur das Zusammenkommen von Menschen. Sie sollen gemäss Aristoteles durch das Erleben von Kunst eine reinigende Erfahrung machen. Dieser Aspekt eines Live-Erlebnisses im Hier und Jetzt ist zurzeit weg. Und kein digitales Streaming der Welt kann das Live-Erlebnis ersetzten. Trotzdem ist es für die Produzenten von Kultur enorm wichtig, dass es Möglichkeiten gibt, Kultur zu produzieren und dabei gesehen und wahrgenommen zu werden. Auch bei unserem eigenen Live-Streaming ging es nicht darum, ein Live-Erlebnis zu ersetzen. Denn das kann man gar nicht.

Rohner: Der Mensch ist ein soziales Wesen, und dazu gehört nicht nur das gemeinsame Erleben, sondern auch der gemeinsame Diskurs über das Gesehene und das Erlebte, und zwar mit dem Künstler selber. Kein virtueller Konsum kann mir das ersetzen und bleibt deshalb stets ein Behelf. Das Atmosphärische fehlt.

Wie geht es nun weiter? Das Jazzfestival hat sich neu erfunden. Wie steht es beim Bachfest und andern Grossveranstaltungen?

Lampater: Für alle Veranstaltungen nach dem 8. Juni gibt es eine grosse Unsicherheit. Das Bachfest haben wir um ein Jahr verschoben. Konzerte, wo das nicht möglich war, haben wir noch um ein weiteres Jahr verschoben.

Rohner: Wir gehen davon aus, dass man ab Herbst im St. Johann und im Stadttheater wieder Konzerte durchführen kann. Vielleicht mit einer beschränkten Besucherzahl.

Lampater: Was auch verschoben werden musste, ist das 75-Jahr-Jubiläum der kleinen Bühne. Sie feiert jetzt einfach im Jahre 2022 das 77-Jahr-Jubiläum.

Rohner: Wenn wir von Veranstaltungen sprechen, die ausfallen, dann müssen wir auch sagen, dass wir nebst «Schaffusia» wohl auf die Feierlichkeiten zum 975-Jahr-Jubiläum der Stadt Schaffhausen verzichten müssen. Möglicherweise können wir sie im Herbst nachholen.

Und der Internationale Bodensee- Kirchentag?

Rohner: Da ist meines Wissens noch kein Entscheid gefallen. Er wird aber bestimmt verschoben werden müssen.

«Man spricht ja oft auch von neuer Bescheidenheit. Eine solche Form des Masshaltens würde der Gesellschaft ­insgesamt nützen.»

Jens Lampater, Gesamtleiter Stadttheater

Käme es bei Veranstaltungen im St. Johann oder im Stadttheater zu Verlusten durch nicht verkaufte Plätze?

Lampater: Das ist eine sehr hypothetische Frage. Das hängt sehr stark von der Ausgestaltung der Auflagen ab. Bei halber Kapazität könnten wir im Stadttheater 340 Plätze besetzen. Im normalen Schnitt haben wir 450 Plätze besetzt. Das würde dann heissen, wir hätten viele ausverkaufte Vorstellungen. (Er lacht) Aber es würden Mindereinnahmen für die Stadt resultieren. Bei den Konzerten des Musik-Collegiums Schaffhausen im St. Johann haben wir einen Schnitt von 350 bis 500 Personen. Da wäre die Einbusse nicht so schlimm.

Rohner: Wir leben in einer Gesellschaft, die glaubt, wir seien gegen alles gewappnet. Aber wir werden immer wieder medizinisch vor Problemen stehen, für die es kein Heilmittel gibt. Wenn es in einem Jahr zum Beispiel noch keinen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt, dann werden wir trotzdem wieder eine Normalität leben müssen. Dann muss jede und jeder vorsichtig wieder einen Platz finden im Gefüge. Die wahren Werte suchen heisst nicht, dass es uns dabei nicht gut gehen soll. Wir sollten vielmehr erkennen, dass wir Grenzen haben und dass es gilt, mit ihnen zu leben.

Lampater: Man spricht ja oft auch von neuer Bescheidenheit. Eine solche Form des Masshaltens würde der Gesellschaft insgesamt nützen. Das würde auch dem Kulturstandort Schaffhausen gut tun. Neue Bescheidenheit könnte bedeuten, dass man sich sagt, auch in Schaffhausen kann man eine Oper erleben. Dass dadurch das Lokale mehr wertgeschätzt wird, ist eine Hoffnung, die man haben kann.

Rohner: Man könnte auch bescheiden sagen, ich singe in einem Chor mit, ich mache bei einem Theater mit, um nicht nur zu konsumieren, sondern auch selber einen Beitrag zu leisten.

«Die konjunkturelle Krise müssen wir gemeinsam bewältigen, indem wir das Beste geben. Unabhängig davon, wo wir arbeiten.»

Raphaël Rohner, Stadtrat

Verzicht bedeutet auch, dass dadurch die Konjunktur einen Einbruch erleidet.

Rohner: Das ist ein Problem. Immerhin beläuft sich die Wertschöpfung der Kultur auf einen Faktor drei in Schaffhausen. Die konjunkturelle Krise müssen wir indes gemeinsam bewältigen. Auch da sind wir alle gefordert, das Beste zu geben. Unabhängig davon, wo wir arbeiten.

Wie sieht das bei den Künstlern aus?

Lampater: Wenn irgendein Land die Chance hat, gut aus dieser Krise herauszukommen, dann ist es die Schweiz. Viele Gemeinden haben keine Pro-Kopf-Verschuldung, sondern ein Pro-Kopf-Vermögen. Die Nationalbank hat grosse Reserven. Die Schweiz ist gewappnet. Trotzdem wird eine globale Rezession kommen, es wird eine erhöhte Arbeitslosigkeit kommen, und Firmen, die sich stark engagieren in der Kultur, werden sagen: «Ich kann nicht als Sponsor in Erscheinung ­treten, wenn ich gleichzeitig Mitarbeitende freistellen muss.» Neue Bescheidenheit heisst dann vielleicht, wir können nicht mehr so viel Werbung machen wie bisher. In Schaffhausen hatten wir nie ein besonders rosiges Kultursponsoring. Wir werden gefordert sein, einfache Lösungen zu finden, ohne die Qualität des Angebots in Frage zu stellen.

Rohner: Die Schweizer Bevölkerung ist in der Lage und willens, das Heft wieder in die Hand zu nehmen.

Man erwartet, dass nach den Lockerungen nicht mehr alle kleinen und mittleren Unternehmen am Markt präsent sein werden. Ist das in der Kunst auch so? Wird es in Zukunft weniger Künstler geben?

Lampater: Das ist eine schwierige Frage. Es ist ja eine individuelle Entscheidung, ob er oder sie sich als Künstler betätigen will. Sagen wir es mal so: Es kommt vielleicht zu einer Korrektur, die in dieser Branche nötig ist. Wir haben seit vielen Jahren unglaublich viele Berufsmusikerinnen und -musiker ausgebildet, im Jazz- und im Klassikbereich, und schon vor Corona waren die Auftrittsmöglichkeiten für diese Berufsleute beschränkt. Es gibt einfach zu wenige Auftrittsmöglichkeiten.

Rohner: Insgesamt müssen wir schauen, dass wir von der anfänglichen Konsternation, die hier und da in eine gewisse Lethargie übergegangen ist, wieder zu einer Aufbruchstimmung kommen. Und die beginne ich so allmählich wieder zu spüren. Es ist auch wichtig, dass die Politik das signalisiert. Wir müssen dieses Vertrauen vermitteln, weil wir daran glauben. Und ich glaube daran.

sn 20200502

Jens Lampater, Kulturbeauftragter der Stadt Schaffhausen sowie Gesamtleiter des Stadttheaters, und Stadtrat Raphaël Rohner erläutern im Foyer des Stadttheaters die Auswirkungen der Coronakrise auf das Kulturleben in Schaffhausen und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Bild: Michael Kessler

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