Das Stadtparlament fällte einen knappen Entscheid zur Zukunft des Kammgarnareals. Die Stadt soll den Kammgarn-Westflügel selbst entwickeln und zwei Stockwerke für die PH verkaufen.

von Daniel Jung

Erst um 20.50 Uhr fand gestern die Schlussabstimmung zur Entwicklung des Kammgarn-Areals statt. Und wie mehrere Sprecher bereits vermutet hatten, ging sie mit dem Resultat von 20 zu 16 Stimmen aus: Eine Mehrheit aus Mitte- und Linksparteien befürwortete dabei die Vorlage des Stadtrats. Die Minderheit der Fraktionen von FDP und SVP hatte sich vergeblich gegen die Vorlage eingesetzt.

Wortführer dieser Minderheit war Martin Egger (FDP). Er betonte, dass sich die Vertreter der bürgerlichen Seite seit Jahren für eine Abgabe des Kammgarn-Westflügels im Baurecht an einen privaten Investor eingesetzt hatten – aus finanziellen Gründen. «Wenn die Stadt, so wie es jetzt vorgesehen ist, 31 Millionen Franken investiert, dann steht eine Steuererhöhung an», sagte Egger. Die Stadt solle ihre Mittel für Schulhäuser, Strassen, Brücken und Sportplätze einsetzen – nicht aber für Projekte, die auch privat finanziert werden könnten. Es bestehe das Risiko, dass die Vorlage an der Urne abgelehnt werde. «Dann müssen wir wieder von vorne anfangen.» Auch er wolle eine rasche Entwicklung der Kammgarn. Inhaltlich kritisierte Egger den zusätzlichen Raumbedarf der Freihandbibliothek, den geringen Anteil der privatwirtschaftlichen Nutzung im Westflügel, den Einzug der Pädagogischen Hochschule (PH) und die hohen Baukosten der geplanten Tiefgarage.

Lob erhielt die Vorlage von linker Seite. Als «hervorragend» bezeichnete sie Simon Sepan (AL), als «super» Urs Tanner (SP). Bea Will (AL) sagte: «Das wird ein absoluter Meilenstein in der Stadtentwicklungsgeschichte von Schaffhausen.» Das flammendste Plädoyer hielt René Schmidt (GLP). Die Vorlage sei ausgereift und zielführend, der geplante Nutzungsmix sehr attraktiv. Um dem Lehrermangel zu begegnen, sei es dringlich, die Lehrerausbildung weiter zu attraktivieren – und der Umzug der PH in den Westflügel dazu der richtige Weg. Es sei für die Stadt günstiger, die Liegenschaft selbst zu sanieren, als dies einem Investor zu überlassen und danach Räume zu mieten. «Es wäre schade, wenn wir diese Jahrhundertchance verpassen», sagte Schmidt.


«Ohne Steuererhöhung möglich»

Gleich drei Stadträte nahmen an der Debatte teil. Bildungsreferent Raphaël Rohner (FDP) legte dar, dass der zusätzliche Platzbedarf der Freihandbibliothek ausgewiesen sei. Baureferentin Katrin Bernath (GLP) erklärte, dass die Kosten der Tiefgarage erst auf Schätzungen basierten, aber auch archäologische Ausgaben enthielten. Sie wies darauf hin, dass bei der Bibliothek ohnehin baulicher Handlungsbedarf bestehe. «Hier mit einer Steuererhöhung Angst zu machen, ist fehl am Platz», sagte sie. Auch Stadtpräsident Peter Neukomm (SP) zeigte sich überzeugt, dass das Projekt ohne Steuererhöhungen gestemmt werden könne. Er sagte: «Wir verlieren jeden Tag Geld mit dem leer stehenden Westflügel.» Je länger nichts passiere, desto teurer werde es für die Stadt. «Es ist jetzt der Moment, um das politische Tauziehen hinter sich zu lassen», forderte Neukomm.

Überzeugen konnte er damit die bürgerliche Ratsseite nicht. «Uns wird kein anderer Weg bleiben, als diese unüberlegte Vorlage an der Urne zu bekämpfen, um eine Steuererhöhung zu verhindern», sagte Michael Mundt (SVP).

Damit diese Abstimmung möglichst bald stattfinden könne, stellte Diego Faccani (FDP) den Antrag, den Verkauf zweier Stockwerke an den Kanton freiwillig der Volksabstimmung zu unterstellen. Dieser Antrag wurde jedoch mit 21 zu 15 Stimmen abgelehnt. Ohnehin sieht es gemäss Stadtpräsident Neukomm derzeit so aus, als ob der Regierungsrat die kantonale Abstimmung auf den 29. November festsetzen wird. Weil der Stadtrat die städtische Abstimmung am selben Termin plant, dürfte es also noch einige Monate dauern, bis der Abstimmungskampf in der Stadt beginnt.

Für die Entwicklung des Kammgarnareals wurde gestern ein Rahmenkredit von 31,24 Millionen Franken bewilligt. Ebenfalls bewilligt wurde der Verkauf zweier Geschosse an den Kanton für 9,6 Millionen Franken. Dank der Mitfinanzierung durch die IWC, der Beanspruchung des Stadtentwicklungs- und Parkplatzfonds sowie dem Verkauf an den Kanton verbleiben von der Stadt zu tragende Nettoinvestitionen von 14,88 Millionen Franken.